31. Workshop in Wilhelmshaven

31. Workshop vom 28.-30.04.2017

Freitag, 28.04.

Der diesjährige Workshop der Frauen zur See findet im internationalen Jugendgästehaus des CVJM Wilhelmshaven statt. Uns erwartet ein recht leeres Haus, ein wenig verwohnt, aber sauber mit hellen Zimmern. Nach dem Abendessen tagen wir im Gruppenraum. Zunächst stellen sich alle Anwesenden vor.

Eine Seefrau füllt den Freitagabend durch einen sehr ausführlichen und interessanten Vortrag über ihre Arbeit auf dem holländischen Segler Goulden Leeuw. Dort fährt sie zurzeit aufgrund ihrer Schiffsmechaniker Ausbildung als Maschinistin und managt den gesamten Maschinenbetrieb, der bis auf das Ballasten dem eines kleinen Kümos gleichkommt. Sie berichtete auch ausführlich über die beiden Holländischen Segelschiffspatente. Jeweils ein Winter wird für die kleine Segelfahrt benötigt: Kleine Zeilvaart KZV (Coastal restricted commercial sailing vessels) und ein Winter für die große Segelfahrt: Grote Zeilvaart GZV (Ocean going commercial Sailing vessels). Der Unterricht findet nur einmal die Woche statt und ist so komprimiert, dass alle angeschnittenen Themen im Eigenstudium erarbeitet werden müssen. Auch Quereinstiege für Nautiker sind möglich. Die Schwerpunkte liegen dort auf Rigg, Seemannschaft auf Segelschiffen, Stabilität unter Segeln, Segelrouten und Binnenfahrt. Mehr Informationen dazu auf der Homepage der Enkhuizer Zeevaartschool: www.ezsenglish.weebly.com/ezs-info-engl.html.
Ein paar Informationen zur Goulden Leuw: Die Gulden Leeuw ist ein Dreimast-Topsegel –Schoner. Sie wurde 1937 als ozeantüchtiges Forschungsschiff mit Eisklasse gebaut: Länge über Alles 52,37 m, Breite 8,60 m, Tiefgang 4,20 m, Segelfläche 1400 m², Masthöhe max 40 m. Das Fahrtgebiet ist weltweit. An Bord fährt zurzeit eine Schulklasse für mehrere Monate im Rahmen des Projektes „Class Afloat“ im Nordatlantik und angrenzenden Meeren.

Samstag, 29.04.

Der Samstag startet mit interessanten Gesprächen – selbstverständlich mit überwiegend maritimen Charakter. :) Voller Vorfreude packen wir unsere Rucksäcke und dann ging es zu unserem ersten Wegpunkt, dem Deutschen Marinemuseum. Das im Verbindungshafen gelegene Marinemuseum bietet einen interessanten Einblick in die Geschichte und Gegenwart der Marine. Hierbei wird auf den Marinesoldaten, das Schiff und den politik- und kulturgeschichtlichen Rahmen eingegangen.

Dazu wird die Geschichte der Marine in drei Epochen eingeteilt:

  • Marinen im Nationalstaat 1948-1914
  • Zeitalter der Weltkriege 1914-1945
  • Marinen im Bündnis 1945-heute

In der Frankfurter Nationalversammlung vom 14. Juni 1848 kam es zum Flottenbeschluss. Daraufhin wurde die Reichsflotte als erste gesamtdeutsche Flotte gegründet. Sie bestand aus 2 Segelfregatten, 3 Dampffregatten und mehr als 24 Ruderkanonenbooten, bis auf eine Ausnahme alles umgebaute Handelsschiffe. Der erste Kampfeinsatz war das Seegefecht vor Helgoland am 4. Juni 1849. Bereits 1853 wurde die Reichsflotte jedoch schon aus ökonomischen Gründen wieder aufgelöst. Mit der Entstehung des Norddeutschen Bundes 1867 wurde dann die Marine des Norddeutschen Bundes gegründet. Ein Meilenstein der Marine des Norddeutschen Bundes war die Einweihung des Jadehafens von Wilhelmshaven im Jahr 1867. Diesmal sollte es 6 Panzerschiffe, 9 Korvetten und 8 Avisos geben. 1872 wurde daraus dann die Kaiserliche Marine.
Ab 1919 gab es die vorläufige Reichsmarine (später Reichsmarine). Diese war an historischen Ereignissen wie der deutschen Revolution 1918/1919, der Selbstversenkung der Hochseeflotte, Unterzeichnung des Versailler Vertrages und dem Kapp-Putsch beteiligt. Zu den Aufgaben der Reichsmarine zählten die Küstensicherung, Fischereischutz, Minenräumung, Seepolizei und die Unterstützung der Handelsschifffahrt. 1935 ist sie in Kriegsmarine umbenannt worden. Ab 1939 lag nun die Hauptaufgabe im 2. Weltkrieg.
1956 sind dann sowohl die Bundesmarine (Bundesrepublik Deutschland) wie auch die Volksmarine (DDR) gegründet worden. Während die Bundesmarine damit beschäftigt war, den Ostseezugang und Transporte nach Europa zu schützen; waren die Aufgaben der Volksmarine den Ostseezugang für die Staaten des Warschauer Pakts freizuhalten und sich an offensiven Operationen gegen gegnerische Ostseestaaten zu beteiligen. Mit der Wiedervereinigung 1990 ging die Volksmarine zur Bundesmarine über.
Die heutigen Aufgaben der Bundesmarine sind Internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung außerhalb Deutschlands, Sicherung des deutschen Seehandels und die Beteiligung an SAR Maßnahmen im deutschen Küstenbereich. Zur Bewältigung dieser Aufgaben besitzt die Bundesmarine 10 Fregatten, 5 Korvetten, 6 U-Boote, 12 Minenabwehrfahrzeuge, 19 Hilfsschiffe, 10 Flugzeuge und 43 Hubschrauber.

Im Freigelände des Museums konnten wir zudem 4 Museumsschiffe besichtigen:

  • Zerstörer Mölders
    Die Mölders ist Deutschlands größtes Museumskriegsschiff mit einer Länge von 134 m und einer Verdrängung von 4200 t. Die Besatzung bestand aus 334 Marinesoldaten. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 35 kn. Die Mölders war bis 2003 im Einsatz. (Hinten links im Bild)
  • Minenjagdboot Weilheim
    Die Weilheim war unter anderem dafür zuständig, die Seeminen der beiden Weltkriege zu räumen und somit die zivile Schifffahrt zu schützen. (Hinten Mitte im Bild)
  • U10
    Das Unterseeboot U10 war mit seiner 22-köpfigen Besatzung von 1967 bis 1993 aktiv. Es sollte die Nato-Staaten der Ostsee vor den Staaten des Warschauer Pakts sichern. (Hinten rechts im Bild)
  • Schnellboot S71 Gepard
    Die Gepard ist das jüngste Museumsschiff und erst seit einem Jahr in Wilhelmshaven. Auf ihr sind Waffensysteme zu besichtigen, die die deutsche Marine bereits seit 1916 prägten. (Vorne im Bild)

Einige aktuelle Schiffe der Marine bestaunten wir während der anschließenden Hafenrundfahrt. Bei der Gelegenheit lernten wir auch die verschiedenen Häfen innerhalb Wilhelmshavens kennen.

Eine Hafenbesichtigung ist dann auch unser nächster Wegpunkt: Im JadeWeserPort legen nicht die Schiffe mit dem grauen Anstrich an, sondern die Kistendampfer.
Mit einem Bus erkundeten wir nun das Hafengelände. Anders als bei vielen Hafentouren kamen die Erläuterungen von einem ehemaligen Seemann, der heute im JadeWeserPort beschäftigt ist, und hatten somit Hand und Fuß. Um die 290 ha große Hafenfläche zu schaffen, waren 2 Jahre Sandaufspülung und 50 000 t Stahl allein für die Spundwand notwendig. Die 1850 m lange Kaje wird seit 2012 von Eurogate betrieben. Sowohl Niedersachsen wie auch Bremen sind am JadeWeserPort beteiligt. In dem Hafengebiet ist ein umfangreiches Logistikgelände geschaffen worden. Die Landanbindungen des Hafens gehen sowohl über die Straße (A29) wie auch über die Schiene. Für den Seeweg gilt das Motto: No Tides. No Limits. Die garantierte Wassertiefe liegt bei 18 m. Die Revierfahrt ist 23 sm lang. Für den Lade- und Löschvorgang stehen Postpanamax-Containerbrücken bereit, die bis zu 25 Containerreihen bedienen können. Zur Zeit bringen die Schiffe, welche den JadeWeserPort ansteuern, Ladung von und nach Asien, den mittleren Osten und Nord- und Ostsee. Man bekam den Eindruck, dass der Hafen zukunftsorientiert gebaut worden ist und Potenzial hat; es jedoch zur Zeit an Schiffen und somit an Waren mangelt.

Hungrig vom interessanten Tagesprogramm besuchen wir anschließend das Steakhouse Bahnhof West, in dem wir ein ausgesprochen leckeres Abendessen genießen dürfen.

Zurück im Jugendgästehaus setzten wir uns erneut an die Planung/Ideenfindung für den nächsten Workshop: Wir dürfen und auf einen Workshop in Wismar freuen.

Sonntag, 30.04.

Am Sonntag teilen wir uns nach dem Frühstück auf: Die einen besuchen das Wattenmeer Besucherzentrum. Die anderen gehen zur Mir und überqueren dabei die wunderschöne und sehr gut instand gehaltene Kaiser Wilhelm Brücke, deren Öffnung trotz ihres Alters von 110 Jahren problemlos funktioniert. Nach den Besichtigungen kehren wir für eine Kaffeepause ein, bevor wir uns zum Abschlussfoto zusammen finden. Wir haben strahlenden Sonnenschein und kräftigen frischen Ostwind und einen schönen Ausblick über den Jadebusen.

Die Kaiser-Wilhelm-Brücke hat eine Spannweite von 159 m und eine Breite von 8 m. Sie wiegt 440 Tonnen. Die beiden Stützen sind etwa 20,4 m hoch. Die Durchfahrtshöhe beträgt 9,00 m + 1,10 m bei mittlerem Hafenwasserstand, die Durchfahrtsbreite beträgt 58,60 m. Auf der Brücke wird die alternierende Richtung des motorisierten Straßenverkehrs durch Ampeln geregelt. Sie wurde zwischen 1905 (Baubeginn) und 1907 (Fertigstellung und Inbetriebnahme) als größte Drehbrücke Deutschlands erbaut. 1975 wurde die Brücke unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 1998 wurde die Drehmechanik des nördlichen Brückenteils durch die Kollision mit einer geschleppten Fregatte beschädigt und musste teilweise überholt werden. Im Jahr 2003 kam es zu einer weiteren leichten Beschädigung bei einer Kollision mit einem Frachter. Im Jahr 2007 wurde das 100-jährige Bestehen der Brücke gefeiert und dazu die Beleuchtung nach historischem Vorbild wiederhergestellt. Ab dem 23. September 2010 bis 17. September 2013 wurde die Brücke saniert. Im Zuge der Sanierung wurde die Brücke stahlbautechnisch instand gesetzt und erhielt unter anderem eine komplett neue Beschichtung sowie neue Beläge für Fahrbahnen und Gehwege. Das Geländer der Brücke wurde nach historischem Vorbild restauriert. Ebenso wurden die Brückenhäuser komplett saniert und eine neue Treppenanlage als Zugang zum Nordflügel gebaut.

Das Segelschulschiff Mir wurde als Teil einer aus insgesamt sechs Schiffen bestehenden Baureihe 1987 auf der Danziger Werft erbaut. Sie ist 109 m lang, wiegt 2423 Tonnen. Heimathafen ist Sankt Petersburg. Stammbesatzung ca. 55 Personen, max. ca. 140 Kadetten. Bei einer geringeren Kadettenzahl besteht auch die Möglichkeit, als zahlender Trainee an Bord zu kommen. Eigner der Mir ist die staatliche Hochschule für Marineingenieure in Sankt Petersburg. An dieser Hochschule wird seemännischer Nachwuchs für die russische Handelsmarine ausgebildet. Die Student:innen der Fachrichtungen Nautik, Schiffsbetriebstechnik, Radar- und Funkwissenschaften müssen während ihres Studiums ein Praxissemester an Bord dieses Segelschulschiffes absolvieren. An Bord werden Sie von Professor:innen der Universität unter anderem in Englisch unterrichtet und erlernen klassische Seemannschaft.
Ein paar Anmerkungen: Klassische Seemannschaft scheint sorgfältige Metallkonservierung auszuschließen. Für ein Schulschiff mit dermaßen hoher Kadettenanzahl wird erstaunlich viel Rost übergemalt. Das Glattbürsten nach dem Roststechen scheint nicht praktiziert zu werden und Rostpickel weghämmern auch nicht. Ich war doch recht irritiert über das, was ich sah.

Ein paar Informationen zum Wattenmeer Besucherzentrum:
Die UNESCO hat das Wattenmeer Ende Juni 2009 in die Liste des Welterbes aufgenommen. Damit steht das Wattenmeer auf einer Stufe mit anderen weltberühmten Naturwundern wie dem Grand Canyon in den USA und dem Great Barrier Reef in Australien, die ebenfalls zum Weltnaturerbe gehören. Das Wattenmeergebiet ist noch jung. Es ist nach der letzten Eiszeit vor rund 7.000 Jahren entstanden, aber auch heute noch werden Sandplaten und Dünen gebildet und wieder abgebaut. Durch die große Dynamik findet man Landschaften in allen Entwicklungsstadien. So kann man noch heute sehen, wie Landschaften in der Eiszeit entstanden sind.
Das Wattenmeer zeigt auf seine eigene Art und Weise, wie Natur, Pflanzen und Tiere sich immer wieder an die täglich wechselnden Bedingungen auf dem Watt anpassen. Dort, wo sich Süßwasser aus Flüssen mit salzigem Meerwasser vermischt und wo Naturkräfte wie Gezeiten, Wind und Ablagerungsprozesse von Sand und Schlick walten, findet man intelligent angepasste Pflanzen und Tiere. Die vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen des Wattenmeers bieten Lebensraum für eine außergewöhnliche Vielfalt von Pflanzen und Tieren - Lebensraum zum Brüten, Säugen, Aufwachsen, Mausern und Rasten.
Man findet hier nicht nur viele dauerhafte Bewohner, sondern auch zahlreiche Besucher. So nutzen jedes Jahr rund 10 bis 12 Millionen Zugvögel das Wattenmeer. Insgesamt leben hier rund 10.000 verschiedene Pflanzen- und Tierarten, an Land und im Wasser. Eine derartige Vielzahl und Vielfalt wie im Wattenmeer findet man nirgendwo auf der Welt.
Ausstellungen zu folgenden Themen können besichtigt werden: Vogelzug, das Leben im Watt, Salzwiesen, Fischerei, Gefahren im Watt, Sturmflut, Aquarium, Schweinswale.

Vielen Dank für die Organisation des gelungenen Workshops. Es war wieder einmal ein tolles und vor allem hochinteressantes Wochenende!

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