Erfahrungen als Frau an Bord

Die Erfahrungsberichte auf unserer Webseite geben einen Einblick, wie vielfältig die Arbeit an Bord und rund um den Hafen sein kann. Es gibt aber auch einige Erfahrungen, die man dort speziell als Frau macht. Hier sammeln wir solche Momente. 

Dabei findet jede ihren eigenen Weg, um mit solchen Situationen umzugehen. Tipps dazu aus der Praxis finden sich hier.

Oft spüren wir, dass wir an Bord und im Team richtig angekommen sind: 

Mein 1. Offizier bietet mir an, einen anderen Wachmann zu bekommen, falls mir einer Probleme machen sollte, ohne dass ich den Grund dafür angeben muss. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Englische Lotsen haben in höchsten Tönen von der fachlichen Kompetenz ihrer Kollegin erzählt. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Nach unserem gemeinsamen 4,5 monatigen Einsatz an Bord meinte ein kroatischer Kadett zu mir, dass er sich anfangs gedacht hatte, dass ich an Bord den sexuellen Part seiner Freundin übernehmen könnte, ich ihm dann aber gezeigt hätte, dass man mit mir auch sehr gut zusammenarbeiten kann. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Ein deutscher Kapitän hat mir gleich zu Anfang versichert, dass wenn ich Probleme als Frau an Bord haben sollte, sei es mit der Besatzung, mit den Hafenarbeitern oder anderen externen Personen, er mit allen Mitteln an meiner Seite steht. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Während einer Party werde ich abends auf Brücke angerufen und gefragt, ob ich ok bin. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Ein deutscher leitender Ingenieur hat mir Respekt dafür gezollt, dass ich als Frau zur See fahre. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Der kroatische Bootsmann bietet mir an, nicht an Deck arbeiten zu müssen, wenn ich meine Periode habe. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Manchmal merken wir aber auch, dass wir noch nicht richtig willkommen sind: 

Nachdem ich die Liebe eines philippinischen AB auch nach zahlreichen verbalen Versuchen nicht erwidere, droht er mir damit, nicht mehr für mich zu arbeiten (Ladungswache, Ausguck) bzw. mich auflaufen zu lassen, wenn ich keine Beziehung mit ihm anfange. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Ein kroatischer Matrose hat gefragt, ob ich denn nicht mal Pfannkuchen oder etwas anderes leckeres kochen könnte, schließlich sei ich ja eine Frau, die ohnehin in die Küche und nicht an Deck gehöre. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Nach einem Klingelstreich (3x alle 10 Min. anrufen und sofort auflegen) möchte der deutsche Kapitän den Ball flach halten und nicht, dass ich versuche, den Täter zu finden, sondern erstmal warten, ob sich der Vorfall wiederholt, was er glücklicherweise nicht tut. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Als sich ein englischer Hafenarbeiter überaus kooperativ gezeigt hat, wurde das vom 1. Offizier darauf abgetan, dass ich eine Frau bin, nicht, dass ich kommunikativ und konfliktlösend agiert hätte. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Während meines Einstellungsgesprächs spricht der Personalchef schlecht über eine 1. Offizierin: Sie bräuchte sich nicht zu wundern, dass wenn sie mit den Filipinos beim Karaoke singen tanzt, einer dann bei ihr auf Kammer auftaucht und mehr will. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Ein kroatischer Kapitän kommt sturzbesoffen zum Karaoke singen, zeigt erst seinen Penis in die Runde und stolpert dann auf mich zu und grapscht mir fest in die Brüste. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2018)

Mein deutscher 1. Offizier meint, dass die philippinischen Matrosen nur nett zu mir sind, weil ich eine Frau bin. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Ein deutscher Offizierskollege meint, dass ich ja schnell befördert werde, weil ich eine Frau bin. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Auch wenn mehr und mehr Bildmaterial an den Wänden demjenigen in Büros an Land ähnelt (Gemälde oder Fotographien von Landschaften, Städten oder Tieren usw.) sind immer noch sexistische Fotographien weit verbreitet: Playboy-Kalender auf Kammer, Poster von nackten Frauen im Workshop, eine blonde junge Frau im kurzen Schwarzen, die an auf einem Barhocker sitzt und sexy über ihre Schulter blickt, auf der Fototapete hinter der Bar in der Offiziersmesse. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017-18, Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022-23)

Manchmal zeigt sich, dass die kollegiale Zusammenarbeit verschiedener Geschlechter für einige noch ungewohnt ist: 

In der Brusttasche meines Overalls, der an meinem Spind in der Offiziersumkleide hängt, finde ich einen Liebesbrief. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Zum Valentinstag bekomme ich eine selbstgebastelte Papierrose geschenkt. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Ein kroatischer 3. Ingenieur mit dem ich häufiger abends einen Film geschaut und mich auch sonst sehr gut verstanden habe, schreibt mir abends an Bord per Whatsapp, dass er nicht schlafen kann, weil er darüber nachdenkt, mich zu küssen. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Kurz vor Feierabend wird mir ein Liebesbrief vom philippinischen Oiler zugesteckt. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Und in einigen Momenten merken wir, dass Frauen an Bord immer noch eine Seltenheit sind: 

Nachdem ich mit dem ägyptischen Agenten im Suezkanal den Papierkram abgewickelt habe, fragte dieser als „last request“ nach einem gemeinsamen Selfie.
Aber nicht nur er: Von den Hafenarbeitern werde ich ständig nach meinem Namen, meinem Facebook- oder Instagram-Account und einem gemeinsamen Foto gefragt, welches ich immer ablehne. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022/23)

Auf meine Aussage hin, dass ich mir nicht vorstellen kann, Lotsin zu werden, weil ich keine Lust habe, dass wenn ich auf Brücke komme, zu diskutieren, ob ich als Frau die Kompetenz habe, den Kapitän gut zu beraten, hat ein deutscher Lotse gemeint, dass er sich als Mann dafür schäme, dass eine zur seefahrende Frau heutzutage mit solchen Problemen zu kämpfen habe. (Studentin, 2021)

Die einen ägyptischen Lotsen im Suezkanal ignorieren mich soweit es geht, die anderen begegnen mir überaus freundlich, sie hätten selber Töchter in meinem Alter usw. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Als ich von einem Landgang Blumen mitgebracht habe, hat sich der polnische Kapitän gefreut, dass mit Frauen an Bord so eine schöne Atmosphäre entsteht. (Kadettin, Öl/-Chemikalientanker, Fahrtgebiet Europa, 2017)

Ein ehemaliger Dozent ist der Ansicht, dass Frauen durch ihre Zielstrebigkeit meist fachlich weitaus besser sind als Männer. (Studentin, 2022)

Der ägyptische Lotse im Suezkanal drückt mir ein Buch „Frauen im Islam“ in die Hand, in dem die Kernaussage lautet: Die Frauen werden im Islam hofiert. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)

Während einer Party werde ich vom deutschen Kadetten gefragt, wie Frauen an Bord mit der sexuellen Lust u.a. durch die lange Trennung des Partners umgehen; Stichwort: Masturbation, Sextoys.  (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2023)

Als ich in Uniform (für den Lotsen) auf Brücke komme, meint der Kapitän, dass ich so (die Uniformzulieferer bieten nur Herrengrößen an, die bei meiner weiblichen Figur schlecht sitzen) nicht die Firma repräsentieren könne. (Wachoffizierin, Containerschiff, weltweite Fahrt, 2022)