Praktikum bei der Flensburger Schiffbaugesellschaft (FSG) (2003)

Irgendwann im Leben eines Studierenden kommt der Zeitpunkt, an dem die Abschlussprüfung naht. Oder wie in meinem Fall das Diplom. Da dazu eine Diplomarbeit nötig ist, stand ich nun vor der Entscheidung, mir von meinen Professoren irgendein Thema aufs Auge drücken zu lassen oder die Eigeninitiative zu ergreifen. Nach reichlicher Überlegung und einem Gespräch mit Herrn Jörn Matthiessen, Mitarbeiter der Personalabteilung der FSG, das sich auf der Nord Job, einer Jobbörse für Schüler:innen und Studierende, ergab, habe ich mich dann entschlossen, ein Praktikum bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft zu machen.

So stand ich dann am ersten Oktober 2002 in meinem zukünftigen Arbeitsbereich, in dem ich die nächsten sechs Monate verbringen sollte. Die Abteilung mit der Abkürzung TKR (Technische Konstruktion Rohrbau und -systeme) ist mit den gesamten Rohrleitungen an Bord beauftragt. Jede:r Mitarbeiter:in hat einen eigenen Aufgabenbereich. Die Konstruktion erfolgt schon bis zu zwei Jahre vor dem Baubeginn und endet noch lange nicht, wenn das Schiff vom Stapel gelaufen ist. Denn auch für Schiffe gibt es genauso eine Garantiezeit wie für jeden anderen Gegenstand des täglichen Lebens.

Die Zeit während meines Praktikums verging relativ schnell, da ich die ersten Monate damit verbrachte, sämtliche Abteilungen der Werft sowie Konstruktions-, Bauvorschriften, Arbeits- und Vorgehensweisen und auch meine Kolleg:innen kennenzulernen. Da ich mit Konstruktion am Computer bisher noch nichts zu tun hatte, durfte ich eine einwöchige Schulung für das CAD-Programm ME-10 mitmachen. ME 10 ist ein weit verbreitetes Zeichenprogramm für Computer.

Besonders spannend fand ich es auch, in die große Schiffbauhalle zu gehen und zu sehen, wie rasant sich so ein neues Schiff entwickelt. Die Flensburger Schiffbaugesellschaft baut ihre Schiffe in Modulbauweise. Das heißt, dass alle Schiffssektionen in einzelnen Einheiten zunächst vorgefertigt und dann zu einer großen Einheit zusammengebaut werden. Quasi wie Lego nur viel größer. Wenn die kleinen Einheiten zu einer großen verschmelzen sollen, dann muss alles genau passen. Und eigentlich hat es immer gepasst. Wenn nicht, dann sind Tim und Jörg, die zwei für die Änderungen zuständigen Mitarbeiter in der Abteilung TKR, losgelaufen und mussten erstmal die Wogen wieder glätten. Dank Jörg, der schon 20 Jahre auf der Werft zugebracht hat und seine Ausbildung in der Rohrschlosserei gemacht hat, habe ich so manchen komischen Vogel kennengelernt.

Jörg hat mir dann irgendwann vorgeschlagen, mal in die Rohrschlosserei zu schauen, denn da wäre jemand, der mir die Werft mal so richtig von Grund auf zeigen könnte. Also ging ich runter (auch die Arbeiter:innen gingen runter, wenn sie eigentlich hoch in die Konstruktion wollten) in den Rohrbau, um einen älteren Herrn mit einem roten Hut (Werftslang für Helm) zu suchen, der in einer Hütte wohnt (Werftslang für Schweißkabine) und dessen Namen mit S beginnt (den Namen konnte ich mir irgendwie nicht merken). Und fortan wurde ich, wenn ich im Betrieb war, unter die Azubis gemischt, die nämlich vor eben jener Hütte ihre praktischen Erfahrungen sammeln durften. So verbesserte ich ganz nebenbei unter anderem meine Kenntnisse im Schweißen, lernte CuNiFe, eine Kupfer-Nikkel-Eisen-Legierung, die besonders seewasserbeständig ist, zu löten und darüber hinaus, wie man Rohre biegt und richtig einbaut.

Mittlerweile hatte sich auch das Thema für meine Diplomarbeit herauskristallisiert, auf das ich mich mit meinen zwei Betreuern, Herrn Helmut Krall, dem Chef der Abteilung TKR, und mit Herrn Holger Rösch, der für die Rohrleitungsschemata zuständig ist, geeinigt habe. So schrieb ich dann an meiner "Optimierung des Seekühlwassersystems eines Seeschiffes mit drehzahlgesteuerten Seekühlwasserpumpen". Und ab und zu, wenn es im Büro zu eintönig wurde, habe ich mich auch mal wieder aufgemacht, um die Ergebnisse im Betrieb, d.h. auf dem Helgen zu bewundern.

Während meines Praktikums bin ich außerdem in den Genuss gekommen, zwei Stapelläufe mitzuerleben. Ein besonderes Highlight war die Probefahrt auf dem Neubau Nr. 719 mit dem Namen Longstone. Da einer der Ingenieure kurzfristig ausgefallen war, durfte ich dann auch gleich als Vorgeschmack auf meine Zeit nach dem Studium mit Maschinenwache gehen. In einem mit Leuten vollgestopften Maschinenkontrollraum und mit Nebel ausgefüllten Maschinenraum (Probelauf der Feuermelder) sind wir über die Ostsee geschippert, haben Meilenfahrten, Rudermanöver, Williamson-Törn, Notmanöver von den Hauptmaschinenfahrständen, Black Outs usw. gefahren. Nebenbei wurden noch von den mitfahrenden Werftmitarbeiter:innen die letzten Arbeiten am Schiff durchgeführt.

Insgesamt gesehen war mein Praktikum prima, da es mir einen besseren Einblick in die Funktionsweise einer Werft vermittelt hat. Und natürlich habe ich auch viele interessante Leute kennengelernt. Ich würde jeder, die aus der Seefahrtsbranche kommt und die Gelegenheit dazu hat, raten, ein Praktikum auf einer Werft zu machen. Zum Schluss möchte ich noch allen danken, die mir während meiner Werftzeit hilfreich zur Seite gestanden haben und mir mit viel Geduld alles erklärt haben.

NV

Zurück