Schifffahrtskrise im Roten Meer (2023)
Jahre lang haben Piraten die Schifffssicherheit im Roten Meer bedroht. Seit 2019 schätzt Hapag-Lloyd das Risiko jedoch so gering ein, weil unsere Schiffe zu groß und zu schnell sind und es keine Vorfälle mehr in der Flotte gab, dass wir ohne bewaffnete Söldner an Bord durch das Gebiet fahren.
Allerdings gibt es seit Oktober 2023 eine neue Gefahr im Roten Meer: Die Huthis greifen vom Jemen aus Schiffe an, die sie in Verbindung mit Israel sehen, um die Hamas im Krieg gegen Israel in Gaza zu unterstützen. Weiter sollen die Angriffe dem Iran, Feind Israels und Verbündeter der Huthi wie der Hamas, gefallen.
Um die Sicherheit der Schiffe im Roten Meer zu gewährleisten, schlossen sich die USA und 20 andere Länder im Dezember 2023 zusammen. Während die USA und Großbritannien die Huthis an Land aus der Luft bombardieren, schickt die EU Kriegsschiffe in die Region, so z.B. die deutsche Fregatte Hessen.[1]
Die Entscheidung, ihre Flotte um das Kap der Guten Hoffnung umzulenken, fiel bei Hapag-Lloyd nach dem Angriff am 15.12.2023 auf die Al Jasrah, unser Schwesterschiff. Sie wurde auf dem Weg von Europa nach Asien in der Bay direkt vor den Aufbauten von einer Rakete getroffen. Verletzt wurde zum Glück keiner, aber es gab ein Feuer an Bord. An dem Tag fuhr ich gerade auf der Brussels Express südgegehend durch den Suezkanal, war also nur ein paar hundert Seemeilen dahinter auf der gleichen Route unterwegs. Der Kapitän saß während unserer Kanalpassage eigentlich durchgehend am Computer, das Emailpostfach lief heiß. Am Ende des Tages war klar, wir warten erstmal ab. So wurde die von der Reederei vorgegebene Driftposition angesteuert.
Die Stimmung an Bord war gedrückt: Wir waren froh, dass wir selbst nicht getroffen wurden und waren in Gedanken bei unseren Kolleg:innen, die gerade einen Brand zu löschen und eben mit dem Leben davon gekommen sind. Aber die Tatsache, dass uns eben das bevorstehen könnte, dass wir als internationale Seeleute Zielscheibe in einem Krieg sind, sorgte für Beunruhigung und Fassungslosigkeit. Es wurde auch gewitzelt, dass die Besatzungsmitglieder mit den Kammern auf der Backbordseite ein höheres Risiko hätten, getroffen zu werden. Täglich wurden zig Emails ausgetauscht und ich habe Routen nach Jeddah zur Leercontaineraufnahme und zurück durch den Suezkanal um das Kap der Guten Hoffnung geplant, ausnahmsweise ohne Papierkarten, denn die hatten wir ja nicht an Bord. Da wir aber mit Full Ecdis ausgestattet sind und die Papierkarten nur zusätzlich benutzen, haben wir von der Deutschen Flagge einen Exemption Letter für diese Reise bekommen. Den Stapel an Papierkarten habe ich dann später in Asien für unsere Rückfahrt bekommen. Es ist mir schleierhaft, warum man so viel Geld für etwas derart Überflüssiges und Arbeitsintensives ausgibt. Egal, weiter im Roten Meer. Der Chief hat ausgerechnet, dass unser Bunker (VLSFO und LNG) bis Singapur reicht.
Nach einer etwa einwöchigen Sicherheitsbeurteilung hat Hapag-Lloyd beschlossen, all seine Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung zwischen Asien und Europa umzulenken. Auch die Schiffe von MSC und Maersk wurden Opfer von Drohnenangriffen und fahren mittlerweile um Südafrika herum. Für uns hieß das, an Weihnachten wieder nordgehend durch den Suezkanal zu fahren und voll beladen die Seereise von über 12.000 Meilen nach Singapur anzutreten. Das war meine bislang längste Seereise und auch das Fahrtgebiet um Afrika war neu für mich. Wir fuhren full ahead mit 19,5 Knoten im Schnitt, machten einen kurzen Stopp vor Kapstadt (OPL) zur Proviantübernahme (es gab sogar leckeres Straußenfleisch) und für Crewwechsel.
Der Suezkanal ist wirtschaftlich die wichtigste künstliche Wasserstraße der Welt. Normalerweise wird diese Handelsroute von 20.000 Schiffen pro Jahr genutzt.[2] Rund zwölf Prozent des globalen Seehandels gehen laut Daten des britischen Institute of Export and International Trade durch den Kanal. Jeder dritte auf dem Seeweg transportierte Container wird durch den Suezkanal verschifft.[3] Allerdings haben am 24. Mai 2024 lediglich 44 Containerschiffe das Rote Meer oder den angrenzenden Suezkanal befahren, wohingegen es am 01. Dezember 2023 noch 100 Schiffe waren - ein Rückgang um 66 Prozent.[4] Durch den längeren Seeweg haben sich Ölpreis und Frachtraten im Containertransport auf der entsprechenden Route erhöht, weil doppelt so viel Treibstoff nötig ist und zusätzliche Containerschiffe eingesetzt werden, um den Fahrplan und die Frequenz aufrechtzuerhalten. Schließlich steigen durch die Bedrohung noch die Versicherungsprämien für Schiff und Ladung.[5]
Der wirtschaftliche Druck wird insofern sichtbar, als dass wir immer wieder einzelne Schiffe anderer Reedereien beobachtet haben, die trotz der drohenden Gefahr versucht haben, durch das Rote Meer zu fahren und Opfer von Anschlägen wurden. Es ist beruhigend zu wissen, dass Hapag-Lloyd all diese Mehrkosten in Kauf nimmt, um das Leben von uns Seefahrer:innen zu schützen.
SZ
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Brussels Express -
Tafelberg von Kapstadt