Oh wie schön ist Panama (2004)
Im Sommer war ich auf der MV Celine und nun will ich auch mal was von mir hören lassen.
Oh wie schön ist Panama: Ja, von da aus ging es nämlich los, aber was danach kam... In der Reederei Enzian Shipping AG in Schlieren (das liegt in der Schweiz bei Zürich) wurde beschlossen, dass man mich und den Schweizer Kapitän Stefan Sip zusammen auf die MV Celine schickt. Wir sind beide neu in der Reederei. Deshalb haben sie uns wohl gleich auf ihr größtes und neuestes Schiff geschickt, damit wir einen guten Eindruck kriegen. So setzten wir uns also zusammen in den Flieger, der uns von Zürich nach Newark brachte, was nicht mit New York zu verwechseln ist, aber in der selben Gegen liegt. Von da aus ging es dann weiter nach Panama-City, Panama. In Balboa holte uns der Agent ab, brachte uns zum Yachthafen, wo wir ein kleines Motorboot bestiegen, das uns zu unserem Zielort brachte. Der Kapitän der Yacht fragte, wie er denn das Schiff am Ankerliegeplatz finden sollte. Da lachte der Agent und sagte, das sei ganz einfach, denn es sei das kleinste Schiff, das da liege.
Tatsächlich: Nach kurzem Suchen lag sie dann vor uns, die stolze Celine, mit ihren 6.000 Tons Deadweight. Ein Combifreighter mit zwei Kränen: SWL 21 Tonnen. Naja, mit Abstand das kleineste Schiff weit und breit. Combifreighter heißt, dass in den Luken Bulk oder Stückgut geladen werden kann und oben können noch ein paar Container montiert werden. Da sollte und wollte ich also nun für die nächsten vier Monate als 2. Offizierin anmustern (einen dritten gab es nicht). Wir kamen nach Mitternacht an Bord. So waren nur drei der zehn Mann Besatzung noch wach. Der OS brachte das Gepäck hoch und der Kapitän nahm uns auf der Brücke in Empfang, begleitet vom 2. Offizier. In der Messe standen Sandwiches bereit für uns und die Kammern waren auch hergerichtet. Nach der langen Reise fielen wir auch sogleich in unsere Kojen und schliefen uns erstmal aus.
Der nächste Morgen begann mit einem Drill. Dabei konnte ich mir das Schiff angucken und einen ersten Blick auf die Besatzung werfen. Ins Auge fiel der Koch, ein Bulgare, etwa zwei Meter groß und kräftig gebaut. Als sich herausstellte, dass die Winden achtern nicht so gut funktionieren, meinte der Kapitän: "Macht nix, wir können ja unseren Koch als dritte Winsch einsetzen." Das Schiff lag noch zwei Tage in Balboa vor Anker und so hatten wir genügend Zeit für die Übergabe. Der ungarische 2. Offizier, den ich ablöste, zeigte mir alles. Ich durfte auch gleich den Kran fahren, was ich zur Zufriedenheit aller erledigte.
Auf Manöverstation allerdings machte ich noch keine so gute Figur. Das kam auch daher, dass wir achtern nur einen wirklich gestandenen Seemann haben. Das ist der AB Gabi, der eigentlich Gabriel heißt. Der Rest der achterlichen Manöverstation, ich und der Koch nämlich, hatten leider noch nicht so viel Ahnung vom Umgang mit den Leinen. Als sich im Panamakanal die letzte Schleuse öffnete, sagte der AB Aurel, der wie Gabi aus Rumänien stammte: "Heavens door is opening." Ich war mir allerdings nicht so sicher, ob das mit dem Tor zum Himmel seine Richtigkeit haben würde. Ich war mir allerdings nicht so sicher, ob das mit dem Tor zum Himmel seine Richtigkeit haben würde.
Und so kam es dann auch: Kaum verließen wir das Breakwater in Cristobal schon ging es los! Zu dem Zeitpunkt hatten wir Kupferplatten geladen. Diese Dinger sind ziemlich schwer, so dass, obwohl die Luken nur 1/4 voll waren, wir ein GM von drei Metern hatten. Das ist ziemlich viel. Die Auswirkungen waren deutlich zu spüren. Eigentlich machen mir die normalen Schiffsbewegungen nichts aus, aber das war kein Schaukeln mehr, das war eher ein Zappeln. Das Schiff lehnte sich zur Seite, um dann sogleich wieder hoch zu schnellen und noch extremer auf die andere Seite zu schwingen. Nachdem wir nach einer Nacht noch immer schwammen, verlor ich die Angst, dass wir kentern würden. Aber an die schnellen Bewegungen konnte ich mich nicht gewöhnen. So vergingen drei Tage, in denen ich mich mühsam auf Brücke schleppte, um Wache zu gehen und das Wenige, das ich gegessen hatte, den Fischen zu opfern. Sehr zur Belustigung der Deckscrew, die am Morgen wieder die Nocken sauber machen durften.
Doch nach diesem wenig schönen Start kam alles anders. In Vera Cruz (Mexiko), dem nächsten Hafen, durfte ich mit Freuden feststellen, was für eine super Crew da an Bord war. Jede:r tat sein Bestes und es wurde und wird immer noch Hand in Hand gearbeitet. Es machte richtig Spaß. So fiel es mir auch leichter, Erfahrungen als 2. Offizierin zu machen. Fehler machen war erlaubt, denn: Nobody is perfect! Die Wachmänner gingen mir zur Hand, berieten mich und hatten gute Ideen, wo immer nötig. Wir waren hier ein tolles Team. Das war natürlich nicht zuletzt auch dem Kapitän zu verdanken, der uns das Gefühl gab, eine große Familie zu sein.
In diesem Hafen wurden der Koch und ich an Land geschickt, um Proviant zu besorgen. Der Proviant wurde also gekauft und mit dem Taxi zum Gate transportiert, aber dann war die Frage, wie das Ganze nun aufs Schiff gebracht werden sollte. Nachdem ich einen kleinen Draht zum Foreman aufgebaut hatte, bat ich ihn, etwas zu organisieren. "No problemo", sagte er. Die Idee war es, den Proviant auf einen der Trucks zu laden, die eigentlich unsere Kupferplatten durch die Gegend kurvten. Unter viel Gefluche vom Koch wurde also die Ladefläche mit unzähligen Tüten bedeckt. Das Hauptproblem vom Koch war, dass eine Frau ihm helfen musste, den Proviant auf den Wagen zu hieven, dies war ihm offenbar peinlich. Im Nachhinein erzählte er dann dem Kapitän, was für Augen alle gemacht hätten, als sie sahen, dass eine Frau die ganzen Tüten durch die Gegend schleppte. Das waren die kleinen alltäglichen Problemchen, mit denen ich hier hauptsächlich zu kämpfen hatte.
Aber weiter in der Geschichte: Plötzlich kam ein Port-Security-Fahrzeug mit gelbem Licht auf dem Dach angebraust. Vier Männer in Uniform stiegen aus und es gab ein riesiges Durcheinander. Fotos wurden gemacht von unserem Proviant auf dieser Ladefläche und ein ganz wichtiger Mensch redete auf den Truckfahrer ein. Es war von Sicherheitsrisiko und Regelverstoß die Rede. Aber frau erinnere sich, dass unser Koch zwei Meter groß ist. Deswegen zog es dieser wichtige Mann dann schließlich vor, den Mund nicht zu weit aufzumachen. Am Ende wurde beschlossen, alles in das Security-Auto um zu laden und wir wurden zum Schiff gebracht. Später klärte der Kapitän mit dem Agenten ab, was die Konsequenzen der ganzen Geschichte seien. Aber der Agent meinte, wenn der Koch und die 2. Offizierin inkl. Provision wohlbehalten an Bord angekommen wären, sei alles in Ordnung: Welcome to Vera Cruz! Wohlgemerkt, diese Episode fand vor dem 1. Juli und somit vor dem in Kraft treten von ISPS statt.
Von Mexiko ging es dann weiter nach Panama City, dieses Mal das in den USA, wo der Rest unserer Ladung gelöscht wurde. Danach ging es im Ballast an Kuba vorbei nach Aruba, einer kleinen Insel nördlich von Venezuela. Ich machte mich auf das schlimmste gefasst, denn das GM war wieder ziemlich groß, 2,6 m oder so ähnlich. Es sollte jedoch alles anders kommen... Aber das ist eine andere Geschichte und sie soll auch ein andermal erzählt werden. Auf der MV Celine hat es mir super gefallen. Nur die chronische Müdigkeit, unter der ich zu leiden hatte, hat mir ziemlich zu schaffen gemacht, aber das ist wohl normal auf See. Die Stimmung war gut und die Crew prima. Ich habe viel gelernt und es hat auch noch Spaß gemacht. In der Freizeit haben wir sehr oft Barbecue veranstaltet, in der Anfangszeit im Schnitt eins pro Woche. Dann saßen wir immer alle zusammen, außer dem Wachgänger natürlich. Alle erzählten und es wurde viel gelacht. So hatte ich mir die Seefahrt immer vorgestellt.
Fortsetzung folgt: Zuerst Pech und dann auch noch Schwefel (2004).
MW