Auf der Adrian Maersk (2006)
Im vergangen Jahr habe ich zwei kurze Seefahrtszeiten gehabt. Eine auf einem der größten Container Schiffe der Welt, der Adrian Maersk. Die Reise ging von Bremerhaven nach Algeciras. Es war eine ganz besondere und interessante Erfahrung, die ich gerne mit euch teilen möchte.
Die Adrian Maersk ist mit dänischen Offizieren, Azubis und einem 5 – Sterne - Koch, der schon für die englische Queen gekocht hat, unterwegs. Wie viel Mann/Frau Besatzung waren es eigentlich insgesamt? Keine Ahnung, auf jeden Fall waren vier Frauen darunter. Zwei mit Dual Licence, bei uns bekannt als SBO (Schiffsbetriebsoffizier, Doppelpatent). Ich traute meinen Ohren kaum. Etwas, das sich in Deutschland nicht bewährt zu haben scheint, wird von der größten Reederei der Welt ganz offensichtlich favorisiert.
Überall haben die Reedereien erhebliche Nachwuchssorgen. Auch deshalb war der Frauenanteil an Bord so hoch! Außerdem waren zwei von den Azubis ebenfalls weiblich. Doch da ich nicht nur zum Vergnügen an Bord war, hatte ich leider nur die Gelegenheit, mich auf der 0800 – 1200 Wache mit einer der Offizierinnen zu unterhalten. An Bord der Adrian Maersk herrscht übrigens absolutes Alkoholverbot, auch nach dem Landgang müssen alle mit 0,0 Promille zurückkehren.
Die junge Frau machte einen selbstsicheren Eindruck. Sie ist als Matrosin angefangen und hat dann den in Dänemark üblichen Ausbildungsweg zur Offizierin absolviert. Ich war beeindruckt. Freundlich, aber bestimmt wies sie den rauchenden Chief, der etwa doppelt so alt war wie sie, darauf hin, dass während ihrer Wache auf der Brücke nicht geraucht wird und er entweder die Pfeife ausmachen, oder sich an die frische Luft begeben möge. Es funktionierte. Er verließ die Brücke, allerdings hat er doch etwas gemurrt. Einerseits finde ich ganz toll, dass der gegenseitige Respekt vorhanden ist, andererseits fühle ich mit dem armen Raucher, einem älteren Herren, der mir sehr sympathisch ist. Die Seefahrt und das Pfeife -Rauchen sind sein Leben und nun kommt so ein junges Ding daher und schickt ihn weg…
Auch der Freund der jungen Offizierin war an Bord der Adrian Maersk. Er hat ebenfalls ein Doppelpatent. Zurzeit fährt er in der Maschine. Traumhafte Zustände!
Schließlich liefen wir in Algeciras ein, wo ich am nächsten Tag aussteigen musste. Die junge Frau hatte Wache und auch der Kapitän und ein Azubi waren auf der Brücke.
Sie machte ihre Arbeit in dem stark befahrenden Seegebiet sehr gut und wirkte absolut souverän. Gleichzeitig unterwies sie den Azubi. Doch als es darum ging, das Schiff in den Hafen von Algeciras zu steuern – dabei muss kurz vor bzw. hinter der Straße von Gibraltar eine Lücke zwischen den in westliche Richtung fahrenden Schiffen gefunden werden - traf auf einmal der Kapitän die Entscheidungen, ohne anzukündigen, dass er das Kommando übernahm. Ich war darüber ehrlich gesagt ziemlich wütend, die Offizierin war zumindest enttäuscht. Wäre die Situation eine andere gewesen, wäre sie ein Mann? Hätte der Kapitän dann auch auf diese Weise reagiert?
Leider kann ich diese Fragen nicht beantworten, denn ich habe nicht mit dem Kapitän darüber gesprochen. Schließlich war ich nur Gast und auf einer Schulungsreise. Was möchte ich mit diesem Artikel sagen? Ich finde es gut, dass starke und gute Frauen zur See fahren, aber die Abbrecherquote und die Erfahrungen, die ich hier beobachte habe, sagen mir, dass wir noch nicht dort sind, wo wir hingehören. Ich liebe die Seefahrt und ich finde es um jede Frau schade, die ihren Traum aufgibt, weil sie sich nicht nur um ihre Arbeit, die schon hart genug ist, kümmern muss, sondern auch noch um die Widerstände, die ihr immer wieder Kraft rauben. Ich denke nun gerade auch an Nadine, die von ihrer ersten Reise als 2. Ing zurückgekehrt ist und mir von ihren Auseinandersetzungen mit ihrem Chief erzählt hat, der ihr vom ersten Tag an gesagt hat, dass er keine Frauen an Bord mag. Was soll das? Darf das ein leitender Angestellter? Wie unverschämt darf Mann sein?
Sie hat die Reise überstanden und ich freue mich sehr darüber, wie sie gekämpft hat. Sie ist sicher gewachsen, aber leider sind auch die Zweifel gewachsen, ob es wirklich der richtige Beruf ist.
Nun ist es schon Dienstag 0005 Uhr, aber ich hab's geschafft. Liebe Seefrauen, ich bin sehr stolz auf Euch und sehr froh, dass es Euch gibt!
Ich wünsche Euch und Euren Familien ein angenehmes und friedvolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2006!
AF