Segelschifffahrt zu Coronazeiten (2020)
In den Niederlanden übernimmt der Staat einen Großteil der Lohnkosten von durch Corona getroffenen Betrieben, dadurch können uns die Schiffseigner wenigstens noch weiter im Dienst halten. Wir verbringen die Zeit eben mit Unterhalt am Schiff. Unsere Swaensborgh sieht von Tag zu Tag hübscher aus, doch natürlich fehlt uns das Fahren sehr. Die Eigner haben keine Einkünfte mehr und für sie fließt noch kein Geld von oben. Während die Fischerei bereits einen großen Notfonds bekommen hat, weil sie Umsatzeinbußen durch Corona hatten, ist bei den Segelschiffen noch nichts angekommen. In den Niederlanden gibt es ca. 400 solcher Schiffe, mit insgesamt gut 1.000 Menschen, die auf den Schiffen arbeiten. Dazu kommen natürlich alle, die ebenfalls ihr Geld mit diesen Schiffen verdienen, wie Werften, Zimmerleute, Segelmacher, aber auch Restaurants, die von unseren Gästen besucht werden oder aber von Leuten, die Segelschiffe sehen wollen.
Um dies der Regierung der Niederlande bewusst zu machen, sind wir heute (9. Juni) in Richtung Amsterdam gefahren, wo wir am südlichen Ende des Ijsselmeers vor Anker gehen werden um für einen Notfonds für die Segelflotte zu kämpfen. Mit 175 Schiffen lagen wir dort vor Anker bei der kleinen Insel Pampus. Das hat eine symbolische Bedeutung. Früher lagen hier die Schiffe aus Amsterdam am südlichen Ende der Zuiderzee (so hieß das Ijsselmeer, bevor es durch den Abschlussdeich von der Nordsee abgetrennt worden ist) vor der Insel Pampus um auf besseren Wind oder die richtige Tide zu warten, um weiter zu fahren. Das hat in den Sprachgebrauch Eingang gefunden, und vor Pampus liegen heißt so viel wie untätig auf bessere Zeiten warten müssen. Wir lagen also mit einem Großteil der Flotte sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne vor Pampus.
Im Augenblick sieht es so aus, dass wir sogar theoretisch wieder fahren dürften, aber mit Auflagen, die nicht machbar sind. Ich habe zum Beispiel keine Ahnung, wie sechs Leute bei uns an Bord zusammen ein Segel hoch ziehen und dabei 1,5 m Abstand voneinander halten sollen. Auch dürften wir nur noch mit einem Drittel der möglichen Gäste fahren. Da bei uns sowieso alles ziemlich auf Kante genäht ist, würde das heißen, dass jeder einzelne Gast auch dreimal so viel bezahlen müsste. Dazu kommt, dass alle Events, wie zum Beispiel die Kieler Woche abgesagt sind, die hätten dieses Jahr bei uns den größten Teil der Saison aus gemacht. Jetzt auf die Schnelle Buchungen zu kriegen, die den Corona-Maßnahmen entsprechen ist, nahezu unmöglich.
Wir hoffen dennoch, ab Mitte August wieder zu fahren. Es soll eventuell im September noch eine verschobene Kieler Woche geben und Ende September in Wilhelmshaven den Jade-Weser-Cup. Wenn diese beiden Events stattfinden, dann werden wir dort sicher zu finden sein.
Soweit aus Holland. Ich füge mal noch einen Infokasten an, was die Ausbildungsmöglichkeiten an der Enkhuizer Zeevaartschool angeht, vielleicht ist das ja für die ein oder andere interessant.
Enkhuizer Zeevaartschool
Unterricht findet außerhalb der Segelsaison statt, also von Oktober bis März.
Kleine Zeilvaart (KZV): Kann man in einem Winter schaffen, mit dem Diploma KZV plus Seefahrtzeit kann man Kapitän:in für Segelschiffe < 500 GT in Küstengewässern werden und Steuerfrau weltweit. Außerdem kann man damit Skipper:in auf den Ijsselmeer- und Waddenzee-Seglern werden. Unterricht wird in Englisch und Niederländisch angeboten.
Grote Zeilvaart (GZV): Kann man in einem weiteren Winter schaffen. Damit kann man mit entsprechender Fahrtzeit Kapitän:in für alle Segelschiffe werden. Unterricht wird inzwischen nur noch in Englisch angeboten.
Dann gibt es das Sailing Endorsement. Das ist gedacht für Patentträger:innen aus der Frachtschifffahrt, die auf diese Weise auch das Patent für Segelschiffe erwerben wollen (für Segler:innen mit niederländischer Flagge verpflichtend). Dauert drei Monate und wird in Englisch angeboten.
Liebe Grüße an alle Seefrauen,
PH
Mein Werdegang
Bis 2010: Lehrerin für Gehörlose, Segeln auf Großseglern war mein Hobby
2010/2011: Teilnahme am Projekt Klassenzimmer unter Segeln auf der Thor Heyerdahl als Lehrerin und Crewmitglied
2011 bis 2014: Ausbildung zur Schiffsmechanikerin
2014 bis 2017: Zunächst Matrosin, dann Maschinistin auf dem Großsegler Gulden Leeuw
2014/2015: Kleine Zeilvaart an der Enkhuizer Zeevaartschool
2015/2016: Grote Zeilvaart an der Enkhuizer Zeevaartschool
2017 bis heute: Steuerfrau auf dem Segelschiff Swaensborgh
Ab sofort: berufsbegleitend Weiterbildung zur Nautischen Offizierin für alle Schiffe am ROC Friese Poort in Urk
-
Swaensborgh -
Swaensborgh beim Kampf für Corona-Notfonds für die Segelflotte mit 175 Schiffen vor Pampus -
Kampf für Corona-Notfonds für die Segelflotte mit 175 Schiffen vor Pampus