Bordbesuch zu Coronazeiten (2020)

Eine unserer Seefrauen fährt auf der Seago Bremerhaven als C/O und hat eine Rundreise, die sie alle fünf Wochen nach Bremerhaven bringt. So wird ein Besuch an Bord während der Liegezeit vereinbart. Welche Wünsche gibt es zu erfüllen? Der Kapitän (Claus, man nennt sich beim Vornamen beim skandinavischen Teil von Maersk) hofft auf selbstgebackenen Kuchen.

Die Liegezeit beträgt zwischen 14 und 18 Stunden. Dank ISPS muss die Anmeldung per Mail an die Agentur erfolgen, die Genehmigung erfolgt dann auch per Mail (in der Theorie). Da ich vor 40 Jahren meine Seefahrtzeit beendet habe, war es gewöhnungsbedürftig, zumal die Anmeldung nur mit Google-Chrome funktioniert. Aber wir sind ja plietsch, eine Mail an die Agentur öffnet die Tore. Dieser Besuch findet noch unter normalen Bedingungen statt. Der Kuchen wird gerne genommen, aber jeder weiß, dass man als C/O am Nordkontinent wenig Zeit hat. Wir vereinbaren ein weiteres Treffen beim nächsten Anlauf.

Am Freitag, 13. März, folgte der nächste Besuch. Kuchen war selbstverständlich, aber es gab auch eine Liste mit Wünschen seitens der Schiffsführung und der Besatzung. Normalerweise geht die philippinische Besatzung in Bremerhaven im großen Stil einkaufen. Zum einen für den Eigenbedarf (Schokolade, Drogerieartikel, Weichspüler) und zum anderen für den Schiffsclub (der öffentliche Kantinenteil). Aber Bremerhaven ist zu dieser Zeit schon als unsicherer Hafen eingestuft.
Montags war der Großteil der Besatzung in Felixstowe/ England noch an Land. Wenn sie gewusst hätten, dass es der letzte Landgang für die kommenden Monate war…

Eine unserer Seefrauen kommt an Bord, um Lotsenleitern, die das Schiff abzugeben hat, netterweise gegen Schokolade einzutauschen.
Der zolltechnische Status alter Lotsenleitern ist ein interessantes Thema! Aber das ist eine andere Geschichte…

Der nächste Anlauf Anfang April fällt schon voll in die Corona Pandemie. Wir dürfen nur mit Mundschutz an der Pier Taschen austauschen (u.a. Osterpost für zu Hause). Der Shuttlebus hat gewartet und es geht wieder zurück. Wir erfahren noch, dass bis 12. Mai jeglicher Crewchange unmöglich ist. Alle sind deprimiert, kein Landgang und kein Heimflug.

Mitte Mai kommt für unsere C/O die gute Nachricht, ein Ablöser ist gefunden: Er kommt von den Färöer-Inseln. Mit dem Flieger nach Kopenhagen und dann mit dem Taxi nach Bremerhaven. Corona machts möglich.
Die Reederei hat einen Sonderetat zur Verfügung gestellt und der mittlerweile rumänische Kapitän bestellt viel Schokolade für die Jungs, macht auch Große glücklich.

Der Ablöser ist da und wir richteten unseren Besuch so ein, dass wir unsere Seefrau gleich mitnehmen können. Wir haben noch einen schönen Nachmittag in Bremerhaven, sie holt den Leihwagen ab und verbringt die Nacht noch bei einer Bremerhavener Seefrau.

So stelle ich mir unser Netzwerk vor. Der Kapitän hat jedenfalls gestaunt, was Simone organisieren konnte. Frauenpower!

UN

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