Ich glaub' mich knutscht ein Schiff (2021)

… so zumindest mein Eindruck, als ich letztens aus dem Ruderhaus meines Lieblingsschleppers schaute.
Im Oktober waren wir mit VB Geeste bei der Emsüberführung der Aida Cosma von der Meyer-Werft in Papenburg nach Eemshaven dabei. Nach einer ziemlich schaukeligen Anreise mit dem Schlepper von Bremerhaven aus (es waren nur um die 3 m Seegang, aber der Schlepper nimmt gefühlt jede Welle mit) fuhren wir zunächst durch das Emssperrwerk und warteten direkt dahinter, bis die Ems soweit aufgestaut war, dass wir mit unseren 6 m Tiefgang problemlos nach Papenburg weiterfahren konnten. Das dauerte diesmal dank der gerade anstehenden kleinen Sturmflut auch nicht allzu lange. Auf der Fahrt vom Sperrwerk nach Papenburg wundere ich mich jedes Mal wieder, wie eigentlich auf der schmalen und kurvenreichen Ems das Kreuzfahrtschiff mit seinen 344 m Länge und 54 m Breite durchpassen soll – wo ich mit meinem Schlepper (28 m lang und 11,5 m breit) schon immer aufpassen muss, nicht aus dem Fahrwasser zu kommen!
Gegen Mitternacht begann dann die Verschleppung, dazu wird ein eigens zu diesem Zweck konstruierter Ponton auf den Bug des Kreuzfahrtschiffs geschoben und vertäut. Bei diesem Ponton gehen wir längsseits, so dass wir mit dem Schlepper quer vor dem Bug des Schiffs liegen (kann man auf dem Foto erkennen). Damit können wir mit unseren drei Antrieben bequem und vor allem sofort in alle Richtungen arbeiten. Wären wir normal angespannt, würde es ja immer ein wenig
dauern bis wir uns bei einem neuen Kommando in der neuen Richtung positioniert haben und wir müssten die ganze Zeit noch enorm aufpassen, dabei nicht aus dem schmalen Fahrwasser zu geraten. Zusätzlich können wir, dadurch dass wir direkt am Ponton fest sind, auch schieben – die Schiffe werden immer rückwärts bis Emden überführt. Tatsächlich ist Schub nach See auch unsere Hauptaufgabe während der Überführung; Schub zur Seite wird eher selten benötigt – das
machen die Lotsen hauptsächlich mit den Bugstrahlern.
Im Schneckentempo geht es dann über die Ems Richtung Emden, auf dem ersten Teil der Strecke fährt man teilweise mit weniger als einem Knoten. Ab der Jan-Berghaus-Brücke in Leer wird es dann ein wenig schneller – da sind bis zu vier Knoten drin. Vor dem Emssperrwerk wird dann nochmal gestoppt bis der Wasserstand ausgeglichen ist und das Sperrwerk geöffnet wird. Erst nach Passage des Emssperrwerks wird es für uns richtig interessant, denn dann wird der Ponton losgeschmissen und wir müssen ihn vorsichtig vom Bug wegziehen – bloß keine Kratzer in die frische Farbe machen! Dann übergeben wir den Ponton an kleinere Schlepper und fangen schnell das Kreuzfahrtschiff wieder ein. Jetzt wird normal angespannt, um das Schiff vor Emden zu drehen.
Danach fährt es alleine weiter und wir laufen nur noch zur Sicherheit bis Höhe Eemshaven mit. Dort werden wir in der Regel entlassen und treten die Heimreise nach Bremerhaven an.
RK