Positionsmeldung von der Ostsee (2022)

Liebe Seefrauen, wenn ihr den Rundbrief lest, bin ich hoffentlich wieder zu Hause und habe eine ereignisreiche Winter-Reise hinter mir. Das ganze Jahr über sind viele Kollegen Lotsen geworden und ich war gefordert, den neuen Kapitänen das Schiff und unsere typischen Reisen und Häfen zu zeigen. Auch privat war der Winter intensiv mit zwei umfangreichen Modulen für das Online-Masterstudium. International Maritime Management in Elsfleth kann ich wirklich empfehlen als Fortbildung, es ist seefahrtsfreundlich organisiert und ich vertiefe mein Wissen von Abgasemissionen bis Zeitcharter. Seltene langweilige Momente an Bord waren damit schnell gefüllt.

Es gab aber auch ein paar Landgangsgelegenheiten in Häfen, wo ich bislang noch nie an Land war: Nach einem verschneiten Spaziergang durch Rostock habe ich nicht nur ein Museum in einem alten Turm der Stadtmauer entdeckt, sondern vor allem eine im wörtlichen Sinne uhralte astronomische Uhr. Auch nach hunderten von Jahren hat sie präzise den Sonnenuntergang später am Abend vorhergesagt. Ein weiterer Hafen, in dem ich schon oft lag, aber noch nie vorher an Land war, ist Liepaja. Dort konnte ich mich mit einheimischen Snacks (Waldpilz-Chips!) ausrüsten und dann noch durch die weihnachtlich geschmückte Innenstadt spazieren. Am Sonntagabend waren wir allerdings recht allein dort.

Für die Weihnachtsfeiertage waren wir dann bereits eingestimmt, der Baum geschmückt und die Gans bestellt ... und dann wurde der NOK gesperrt. Die Rückfahrt aus der Ostsee in die Nordsee dauerte so ungewollt länger und hat die Weihnachtsfeier nach hinten verschoben. Zeit zum Feiern hatten wir zum Glück trotzdem. Der Umweg durch Dänemark hat aber noch für eine andere Überraschung gesorgt: In roten Klamotten von oben am Schornstein vorbei fliegt nicht nur der Weihnachtsmann, sondern auch die dänische Küstenwache. Ein Hubschrauber wollte mit uns üben und durfte natürlich auch. Also haben sich mit dem letzten Tageslicht drei gut gelaunte Seenotretter zu uns abgeseilt. Wir hoffen natürlich, dass nichts schlimmes passiert. Aber wenn doch, dann ist ihnen unser Schiff schon bekannt.

Die letzten Reisen des Jahres wurden dann durch die Verzögerungen noch einmal stressig. Wie die Kümonautinnen unter euch das vielleicht kennen, kann die Nordseeküste bei zunehmendem Wind und ablaufendem Wasser recht spannend werden. So ein Wattfahrwasser sorgt immer wieder für Prickende Momente. Die letzten Stunden des Jahres nutzen wir jetzt für eine letzte Beladung in Hamburg. Dann ist für mich Urlaub.

IR

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