Praktikum als angehende Funkerin (1981/82)
Ich berichte euch, wie in der DDR meine Ausbildung und das Praktikum an Bord als Funkoffizierin gelaufen ist.
Der Entschluss, zur See fahren zu wollen, entwickelte sich während meiner Berufsausbildung zur Elektronikfacharbeiterin mit Abitur bei VEB Elektronik Gera. Die Ausbildung erfolgte über drei Jahre, gleichzeitig mit dem Abitur. Dadurch konnte man nach der Berufsausbildung entscheiden, ob man studieren möchte oder im Beruf weiter arbeiten wollte.
Schon während meiner Berufszeit hatte ich Interesse am Funken. Ich wollte hinter das Geheimnis der Morsezeichen kommen und besuchte in meiner Freizeit eine Amateur-Funkstation. Eigentlich hatte ich vor, bei der Armee als Funkerin zu arbeiten. Mein Schwager brachte mich dann auf die Idee, als Funkoffizierin bei der Deutschen Seereederei Rostock anzuheuern. Die Bewerbung an der Seefahrtsschule in Warnemünde/Wustrow ging dann zum Ende des dritten Lehrjahres raus und mit Spannung erwartete ich die Antwort der Hochschule. Als endlich die Zusage kam, war die Freude groß. Hier muss ich noch ergänzen, dass zuvor eine Überprüfung durch die Stasi im Hintergrund durchgeführt wurde. Das heißt, Nachbarn und Betrieb wurden zu Familie und Person befragt. Man musste sozusagen eine weiße Weste haben, um das Seefahrtsbuch zu erhalten.
Von 1977-1982 absolvierte ich dann mein Hochschulstudium mit dem Abschluss eines Diplomingenieurs für Schiffselektronik/Nachrichtendienst. Ich war nicht die einzige Frau im Studium. In unserem Studiengang waren zwölf Frauen immatrikuliert.
Während der Semesterferien konnte ich mit Studienkolleginnen das Leben an Bord auf der Völkerfreundschaft, unserem Passagierschiff, auch schon mal kennen lernen. Zwar nicht im Bereich der Funkerei, aber im Mannschaftsbereich als Kammermieze. Von 0600 – 1200 Uhr Bäder und Toiletten sowie die Kabinen der Passagiere reinigen und zwei Stunden operative Tätigkeiten, wie Farbe waschen im Innenbereich, Restaurants reinigen oder Gläser putzen. Natürlich haben wir Kontakt zu den Funker:innen gesucht. Damals waren drei Funker an Bord und wir wurden von diesen auch eingeladen. Wir konnten unsere Fragen los werden und erhielten einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit. Die sechs Wochen Einsatzzeit waren sehr intensiv, informativ und machten uns viel Spaß.
Im achten Semester wurde die Diplomarbeit geschrieben, danach ging es dann als Praktikantin an Bord eines Frachtschiffes.
Meine erste Reise führte mich auf die Geringswalde (y5lj) ein Schiff der Serie Poseidon, die auf der Neptun-Werft Rostock gebaut wurde. Am 01.10.1981 trat ich meinen Dienst als Praktikantin auf diesem Schiff an. Als ich an diesem Tag
in Wismar nach einer langen Nachtfahrt (Gera-Wismar ca. zehn Stunden Zugfahrt) im Hafen von Wismar eintraf, schaute ich erst mal etwas ungläubig, da das Schiff nicht an der Pier, sondern am Dalben lag. Wie sollte ich da rüber kommen? Etwas verloren kam ich mir da vor. Es dauerte aber nicht lange und es kam ein kleines Motorboot vom Schiff und brachte mich an Bord. An Bord wurde ich vom Ersten Offizier begrüßt mit der Information, dass das Schiff noch eine Woche im Hafen liegen wird und ich erstmal wieder nach Hause fahren kann. Meine Freude darüber hielt sich allerdings in Grenzen, hatte ich doch gerade eine lange Nachtfahrt mit dem Zug hinter mir. Ich stellte meinen Koffer in der mir zugewiesenen Kammer ab und begab mich wieder auf den Weg nach Hause.
Am 07.10.1981 sollte es dann aber wirklich losgehen. Gemeinsam mit dem Funker wurden die Auslaufpapiere erstellt, Besatzungslisten geschrieben, Ausklarierungslisten auslegt und die entsprechenden Stellen im Hafen angelaufen, um
die Papiere abzugeben. Gegen Abend ging es los. Zuerst schaute ich dem Funker nur über die Schulter. Seeklarmachen in
der Funkstation und Meldung an die Brücke, Abmelden Wismar Hafen und Anmelden bei RügenRadio und Wetterbericht aufnehmen waren die ersten Tätigkeiten im Funkraum.
An Bord musste ich mich orientieren, wo die Messe ist, meine Kammer und die vielen neuen Kolleg:innen an Bord. Es waren
schon viele Eindrücke, die auf mich einstürmten und geschafft fiel ich abends ins Bett. Unser erster Hafen war Hamburg. Was für eine Stadt! Ich war das erste Mal im Westen! Ich war überwältigt von der Größe des Hafens, dem Flair der Stadt, der Angebote und der Werbung. Landgang war nur zu zweit möglich. So ging ich mit meinem Funker an Land. Er zeigte mir den Michel, die Hafenterrassen und das Stadtzentrum. Ich hatte ganze 15 DM in der Tasche. Als Praktikantin standen mir 1,50 DM pro Tag zu und diese konnten maximal für zehn Tage im voraus aufgenommen werden. Was wollte ich mir davon
kaufen? Bei dieser Reizüberflutung fiel es mir schwer. Am Ende kaufte ich mir zwei Glasschalen, die auch heute noch in meiner Küche stehen und mich an diese Zeit erinnern.
Von Hamburg ging es nach Tripolis. Auf dieser Überfahrt lernte ich nun das Arbeiten einer Funker:in kennen. Während der Studienzeit haben wir ja fleißig Hören und Geben geübt, aber die Praxis sah dann doch etwas anders aus. Wir haben zu dieser Zeit noch sehr viel mit Telegrafie gearbeitet und Rügen Radio war hier unser Hauptansprechpartner. Jede Funker:in hat so ihren eigenen Stil. Manch eine ist besonders schnell und unsauber, da war manchmal nur Bahnhof zu verstehen. Also musste ich mein Gegenüber des Öfteren unterbrechen und „QRS“ (bitte langsamer) geben. Mein Funker lies mich hier des Öfteren alleine kämpfen und das Schwitzwasser lief mir dabei den Rücken herunter. Auch wenn es am Anfang schwer war, es hat mir geholfen, die Sicherheit kam mit jedem Tag und nach ein paar Wochen machte es auch Spaß. Zu den Aufgaben einer Funker:in gehörte, die Schiffspresse aufzunehmen. Hier wurde noch alles per Telegrafie durchgegeben, die Fernschreiber kamen erst viel später. Die Aufnahme dauerte ca. eine Stunde, dann musste das ganze nochmal sauber abgeschrieben werden, denn ganz fehlerfrei ging es nicht. Navigationswarnungen, Wetterberichte aufnehmen und Wetterkarten zeichnen, die Durchgabe der Schiffsposition, Versenden und Aufnehmen von Telegrammen sowie Gespräche mit dem Land herzustellen, gehörten zum Tagesgeschäft. Dazu wurde während der Wache natürlich auch die Notfrequenz 500 überwacht.
Im Hafen von Tripoli angekommen, hieß es erst mal auf Reede gehen. Ganze drei Wochen lagen wir vor Ort. Als Funker:in hat man nur eingeschränkte Sendemöglichkeiten. Hier galt dann hauptsächlich der einseitige Dienst, das heißt Empfangen von Nachrichten. Dafür aber auch die beste Zeit, um sich mit Wartungsarbeiten zu beschäftigen. Als erstes waren die
Antennen dran, entrosten und malen, Batteriepflege, Store aufräumen, die Navibücher aktualisieren und so weiter. Ich habe hier viel mitnehmen können, was mir während meiner Fahrzeit auf den verschiedenen Schiffen gut geholfen hat. Großen Bammel hatte ich immer, wenn die Technik z.B. Radaranlage ausgefallen ist. Hier riefen die Nautiker:innen immer gleich nach der Funker:in. Zum Glück hatte ich in der Praktikanten- und Assistenzzeit gute Funker:innen an Bord, die mir wertvolle Tipps für die Fehlersuche mit gegeben haben. Ich habe damals viel mitgeschrieben und konnte später davon auch gut profitieren.
Natürlich kam an Bord auch die Freizeit nicht zu kurz. Auf der Geringswalde gab es ein kleines Wasserbecken, wo wir uns viel drin tummelten. Kleine sportliche Wettbewerbe, Barabende, Grillabende, Geburtstagsfeiern und zum 11.11. eine tolle Faschingsparty waren immer wieder tolle Höhepunkte.
Auf dieser Reise erlebte ich mein erstes Weihnachten auf See. Für mich war es nicht so schlimm, war ich zu diesem Zeitraum noch jung und ungebunden. Aber man merkte schon bei den Seeleuten, die Familie zu Hause hatten, dass sie gerne auch zu Hause gewesen wären. An Bord wurde Weihnachten auch sehr besinnlich gefeiert. Es gab einen Weihnachtsbaum, der sehr schön geschmückt wurde, die bunten Teller fehlten nicht und natürlich auch die vielen Grüße aus der Heimat lagen vor jedem Seemann auf dem Tisch. Man saß an Heiligabend in der Messe gemeinsam zusammen, es gab ein toll gezaubertes Büfett von der Kombüse, man unterhielt sich und trank Glühwein. Der erste Weihnachtsfeiertag wurde mit einem festlichen Mittagessen begangen und abends war in der Bar Party angesagt.
Unsere Reise ging dann noch weiter nach Griechenland, wo wir verschiedene Häfen zum Be- und Entladen anfuhren. Ich fand, die Zeit an Bord verging sehr schnell. Wir waren wie eine große Familie. Es gab ein kollegiales Miteinander, unabhängig ob man Mannschaft oder Offizier war. Ich könnte noch viel mehr zu meiner ersten und den folgenden Reisen schreiben, es sind so viele Erinnerungen die mir beim Niederschreiben noch eingefallen sind. Das Bordleben war einfach vielfältig.
Am 28.01.1982 beendete ich meine Praktikanten-Zeit an Bord der Geringswalde erfolgreich. Mit einem weinenden und lachenden Auge ging ich von Bord und verteidigte am 18.02.1982 erfolgreich meine Diplomarbeit.
ET