Berufsseglerpatent in den Niederlanden (2015)
Hallo liebe Seefrauen,
wahrscheinlich schaffe ich es nicht zum kommenden Workshop, weil ich erstens freitags bis spät abends Schule habe und zweitens eins von meinen Schiffen (s.u.) genau an dem Wochenende in die Werft geht. Aber wenn ich schon nicht komme, zumindest ein Update über mich.
Nachdem ich letztes Jahr vergeblich nach einem Job als Schiffsmechanikerin bei deutschen Reedereien gesucht habe, habe ich mich auch auf ein niederländisches Segelschiff beworben, die Gulden Leeuw. Nachdem ich bis dahin nur entweder gar nichts von den Reedereien gehört habe, bei denen ich mich beworben hatte oder Absagen bekommen hatte, war es doch herzerfrischend, als ich daraufhin einen Anruf von einem der Eigner und zugleich Kapitäne der Gulden Leeuw bekam, in dem er mir sagte, er habe zwar eigentlich seine Crew schon voll, aber meine Biographie gefiele ihm so sehr, dass er mich einfach trotzdem einstellen möchte.
Also habe ich den Sommer auf der Gulden Leeuw, einem (für Segelschiffsverhältnisse) ziemlich großen Dreimaster, gearbeitet, so wie ich es am liebsten habe, teils in der Maschine, teils an Deck, teils auf der Brücke. Es war harte Arbeit und die Bezahlung ist Welten von einem Heuertarifvertrag entfernt - aber es macht auch sehr viel Spaß. Im Laufe der Zeit ließen die beiden Kapitäne der Gulden Leeuw dann durchblicken, dass sie mich gerne behalten würden und um dies zu können, mich bei einem Studium an der Enkhuizer Zeevaartsschool, der niederländischen Seefahrtsschule für Berufssegler, unterstützen würden. Dies in Verbindung mit einigen schlechten Nachrichten aus der deutschen Seefahrt (ich stand unter anderem in Kontakt mit einem ehemaligen Kollegen von Laeisz, der seinen Job dort in Folge der Kürzungen verloren hatte und trotz ausgefahrener Chiefmate-Papiere Schwierigkeiten hatte, wieder einen Job zu finden und der im Laufe seiner Bewerbungsphase in verschiedene Reedereien Einblick bekommen hatte) sowie in Verbindung mit der Tatsache, dass in Enkuizen neuerdings auch auf Englisch unterrichtet wird, ich mich also nicht auf mein rudimentäres Niederländisch verlassen muss, bewog mich schließlich dazu, meine Pläne an die Seefahrtsschule in Leer zu gehen, aufzugeben.
Jetzt studiere ich also in den Niederlanden und mache das Berufsseglerpatent. Das für kleine Fahrt werde ich im April bereits haben. Nächstes Jahr (oder vielleicht auch übernächstes, da ein Angebot lockt, zwischendurch nach Südamerika und Südafrika zu segeln) kommt dann das für die Große Fahrt. Die Enkhuizer Zeevaartsschool ist den Bedürfnissen der Segler angepasst und da das ein Saisongeschäft ist, studiert man nur im Winter und segelt im Sommer. Schule ist immer am Freitag (deshalb ist es für mich zur Zeit auch schwierig, an Wochenendveranstaltungen teilzunehmen, weil ich freitags bis spät abends Schule habe). Das klingt wenig, aber an diesen Freitagen geht es ganz schön zur Sache. Da werden Themen im Eiltempo abgehandelt und man muss sich schon den Rest der Woche mit seinen Büchern beschäftigen, um dann am Ende den Stoff für die Examen zusammenzukriegen. Es gibt einige, die das Tempo nicht schaffen, aber die können auch die Fächer auf mehrere Jahre verteilen. Ich finde das System gar nicht schlecht, denn dann kommen diejenigen, die Vorwissen und Erfahrung haben schnell voran und die anderen machen es eben langsamer.
Wenn ich gerade nicht studiere, wohne und arbeite ich auf den beiden anderen Schiffen der beiden Eignerfamilien der Gulden Leeuw, der Swaensborgh und der Hendrika Bartelds. Während die Gulden Leeuw zur Zeit irgendwo in der Karibik ist, sind die beiden kleineren Schiffe im Winter nicht in Fahrt, freuen sich aber über ein bisschen Pflege (entrosten, malen, diverse Reparaturarbeiten, Wartung der Maschinen etc.) und ich freue mich, dadurch meinen Lebensunterhalt verdienen zu können.
Im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, meine Nische gefunden zu haben. Die niederländischen Eigner lecken sich die Finger nach Schiffsmechanikern, zumal sie alle eine Maschine an Bord haben, aber meist keinen Ingenieur. Somit ist meine Zukunft bis auf weiteres gesichert. Darüber hinaus wimmelt es in der Seglerflotte nur so von Menschen, die ähnlich gestrickt sind wie ich selbst und (anders als in der Frachtschifffahrt) arbeitet man die meiste Zeit mit Menschen zusammen, die hochmotiviert sind, weil sie ihre Arbeit auf den Segelschiffen lieben.
PH