Ich bin Sarah. (2019)
Servus und Moin zusammen!
Seit meinem ersten Workshop im Herbst 2018 in Lübeck bin ich Mitglied im Berufsverband Frauen zur See! Ich freue ich mich sowohl von den Connections im Verband profitieren zu können als auch an einer modernen, zukunftsträchtigen Struktur des Vereins mitzuarbeiten.
Ursprünglich komme ich aus München und studiere in meinem dritten Theorie-Semester im Fach Nautik an der Jade Hochschule, Elsfleth. In insgesamt drei Einsätzen im Fahrtgebiet Europa als NOA (Nautical Officer Assistent) auf Öl-/Chemikalientankern der Reederei Carl Büttner, Bremen habe ich nicht nur den Schiffsbetrieb von Deck über die Maschine bis auf Brücke mit den dazugehörigen Aufgaben eine:r Offizier:in kennengelernt, sondern im Bordalltag auch viel über Charaktere und menschliche Beziehungen in einem Ranggefüge und zwischen unterschiedlichen Nationalitäten gelernt. Auch wenn es gewiss nicht immer einfach an Bord gewesen ist - gerade als Frau muss ich leider dazu sagen - und ich des Öfteren die Zähne zusammenbeißen musste, so bin ich doch von der Seefahrt und dem Offiziersjob fasziniert.
Grundsätzlich sollte ich als Kadettin den Bordbetrieb als Rangniedrigste von unten her kennen lernen und zuerst einmal „richtig arbeiten“, bevor ich nach Abschluss des Studiums als Offizierin das Kommando übernehme. Einerseits war ich das unerfahrenste Crewmitglied und wurde eher zur Deckscrew, den Matrosen, gezählt, aber andererseits war ich auch angehende Offizierin und gehörte zum Brückenpersonal – ein Spagat. Das hat an Bord natürlich auch Auswirkungen auf den Umgang mit der Besatzung. Zum Glück sind die Strukturen heute nicht mehr so streng wie früher. Abhängig von der jeweiligen Offizier:in wurde ich mal mehr und mal weniger in ihre Arbeit eingebunden, manchmal durfte ich leider nur zugucken.
Dass auf einem Schiff Arbeit und Freizeit am selben Ort stattfinden, also mit den Arbeitskolleg:innen (von denen ich gewiss nicht jeden zur Freund:in haben will) auch die Freizeit verbracht werden muss, ist eine der vielen Herausforderung des Seefahrerlebens. Auf der Apollo hatte ich zu den meisten Kollegen leider kein gutes Verhältnis und wollte in meiner Freizeit nicht auf Brücke gehen. Für solche Zwecke hat jede:r Seefahrer:in eine Festplatte gefüllt mit Filmen und vertreibt sich so den Abend. Um meinem Frust und Ärger Luft zu verschaffen, habe ich den Fitnessraum genutzt. Besonders weil mir der Job an sich so viel Freude bereitet, war ich sehr niedergeschlagen, ein solches Pech mit der Crew zu haben. Nach einer gewissen Zeit habe ich zu den Ingenieuren Kontakt aufgebaut und war sehr froh über den sozialen Austausch – denn Wochen ohne zumindest ein wenig Smalltalk können echt einsam sein und sich sehr langziehen. Doch dann kamen zwei neue Offiziere an Bord, woraufhin sich meine Stimmung um 180 Grad gewendet hat. Von beiden habe ich sehr viel gelernt, ich durfte oft selbständig arbeiten und wir waren auch mal zusammen an Land. Einen Crewwechsel empfand ich immer als abwechslungsreich und erfrischend.
Auf der Leander und der Avalon herrschte eine angenehme Bord-Atmosphäre. In meiner Freizeit an Bord habe ich mit den Filipinos Tischtennis und Karten gespielt. Besonders gerne habe ich Karaoke gesungen – das gehört zum asiatischen Lebensstil dazu und auch wenn nicht jede:r Seefrau ein:e begnadete:r Sänger:in ist, dürfen alle hier ihre Emotionen rauslassen und keiner wird ausgelacht. Vor allem mit den Filipinos, einfachen, zufriedenen und glücklichen Menschen, habe ich mich stets sehr gut verstanden und konnte viel über deren Kultur lernen.
Am Ende meiner Praxiszeit war ich etwas erschöpft von der körperlichen Arbeit, den zahlreichen Überstunden und den vielen Nachtschichten und bin ein wenig wehmütig, das Seefrauenleben nun wieder für eine längere Zeit gegen das Landleben einzutauschen und stolz, die 367 Tage auf See gemeistert zu haben, die Gangway vorerst ein letztes Mal herunter gegangen. Einerseits war ich ein bisschen unsicher, wie ich mich wohl an Land wieder einleben würde, aber andererseits natürlich überglücklich, Freunde und Familie wiederzusehen.
Erfreulicherweise hatte ich zum Großteil gute Ausbildungsbedingungen, konnte viel fragen und durfte unter Aufsicht die Offiziersarbeit erledigen, sodass ich mich von der Praxis her gesehen für den Offiziersberuf gewappnet fühle.
Fasziniert von der Seefahrt freue mich jetzt im Studium die Praxis durch theoretisches Hintergrundwissen zu ergänzen und eventuell nach einem Masterabschluss in ein paar Jahren als Offizier zur See zu fahren!
