Eine Ferienreise mit Praktikant:innen (2001)

Auch dieses Jahr bin ich in den Sommerferien zur See gefahren. Wunderbar, um wieder zu wissen, warum man sich mit bockigen Professoren herumschlägt. Es lief nicht wirklich nach Plan.

Ein guter Freund hatte mich breitgeschlagen, mit ihm die Betreuung einer Gruppe von Schüler:innen zu organisieren, die ihre Sommerferien als Praktikant:innen verbringen. Er hatte damit schon im vorigen Jahr gute Erfahrungen gemacht. Um die Geschichte abzukürzen: Er hat den Posten auch bekommen. Ich hingegen bin in Konkurrenz zu einem alternden Berufsschullehrer ausgeschieden, der sich im Zuge seiner Midlife-Crisis einen Jugendtraum von Seefahrt erfüllen wollte. Unentgeltlich. Das war nicht zu überbieten.

Zum Glück wurden wir alle auf denselben süßen alten Rosteimer gesteckt. Zum Glück für mich, denn die Gruppe war schrecklich nett. Und zum Glück für besagten guten Freund, denn für viele Aufgaben war selbiger Lehrer einfach nicht qualifiziert und da konnte ich einspringen.

Die Köln Express hatte schon bessere Zeiten gesehen. 24 Jahre hat sie erlebt und wie mit extra-reduzierter Besatzung gefahren wurde und für Instandhaltungsarbeiten keine Zeit blieb. Heute fährt wieder eine Crew größeren Umfangs bis auf Kapitän und Chief alle aus Kroatien. Doch für vieles ist es einfach zu spät. Noch nie habe ich einen Maschinenraum erlebt, der so dunkel, so schwarz und so dreckig war. Und noch nie so viel Rost auf einmal. Doch gerade deswegen musste man diese tapfere alte Lady ganz doll lieb haben.

Und die Praktikant:innen wussten nach der Reise wirklich, ob sie zur See fahren wollen oder nicht. Man musste sie übrigens alle sehr bewundern: Zwischen 15 und 18 Jahre alt - zwei Mädchen waren darunter - haben sie allesamt für fünf ihrer sechs Wochen Sommerferien geopfert, um teilweise hart zu arbeiten. Sie wurden jedoch mit überdurchschnittlich viel Landgang entschädigt.

Ich hatte einen eher faden Job: Das Erstellen einer Komponentenliste für eine Maintenance-Software. Auf deutsch: eine Inventur des gesamten Schiffes. Typenschilder verfolgen mich bis heute, ich habe an Bord von ihnen geträumt. Doch die nette Gesellschaft hat mich für alles entschädigt. So zum Beispiel der Kapitän. Er ist ein ruhiger, kleiner Kerl mit ruhiger, tiefer Stimme und dem Sinn für Humor, den man braucht, um Spaß an einer Praktikantengruppe zu haben. Ich traf ihn jeden Morgen um sechs, noch unrasiert, als er sich ohne viele Worte den neuesten Wetterbericht auf den heiligen Computer (seinen eigenen) spielte. Irgendwann fing er an, mir über die Schulter zu schauen, immer noch schweigend. Nicht falsch verstehen, den Rest des Tages haben wir uns schon unterhalten, aber nicht morgens. Bis auf den Morgen (nach etwa einer Woche), an dem er sagte: "Das ist ja ein Scheißjob, den Sie da machen müssen. Guten Morgen." Und dann bot er mir an, quasi als Entschädigung, an den Landgängen der Praktikant:innen teilzunehmen. Ich war verdutzt, doch zum Glück nicht so sehr, dass ich abgelehnt hätte. Es wurde überhaupt nicht schwierig, die dazu erforderlichen Überstunden einzuholen: Der Null-Vier-Wächter, chronisch schlaflos, hat nach seiner Wache immer noch einen Film angeschaut. Nachdem er seinen Schreck über so viel Arbeitseifer überwunden hatte, war er so lieb, um halb sechs immer einen frischen Kaffee fertig zu haben. Außerdem war der Dampfer um die Zeit immer wunderbar leer.

Um acht kamen dann die Praktikant:innen hinzu. Sie wurden eingeteilt für Maschinendienst, Brückenwache, Werkstattarbeit und Tagesdienst und haben z.B. sämtliche Rettungsringe überholt, einen Basketballkorb für das Schwimmbad gebaut, schrecklichen Modder aus einem Ballasttank geschaufelt und die Hauptmaschine gewaschen. Oh, da taten sie mir leid. An einem heißen Tag im Golf von Mexiko, im Schichtbetrieb sich abwechselnd im klimatisierten Kontrollraum ausruhend haben sie unseren Dreckjockel von oben bis unten geschrubbt und geschrubbt. Und hatten am Ende so richtig die Schnauze voll. Doch was macht die undankbare Maschine? Einen halben Tag vor Houston wartet sie bis alle schlafen und macht sich dann wieder ausführlich dreckig. Wie ein Hund, der sich im nächsten Kuhfladen wälzt, nachdem er gebadet wurde. Der Zulauf einer Einspritzpumpe hatte sich irgendwie festgesetzt, so dass der Druck anders entweichen musste. Kein weiterer Kommentar. Die armen Praktis. Sie wollten beinahe heulen und noch viel mehr bei dem Gedanken, das Ganze noch einmal machen zu müssen. Doch davon sind sie zum Glück von einem mitfühlenden Chief befreit worden.

So haben wir uns also fünf Wochen vertrieben, sind in den USA (Houston, Charleston), in Mexiko (Veracurz, Tampico) und auch in Europa (Le Havre, Antwerpen) kräftig an Land gegangen, haben ein Fußballturnier organisiert (das allerdings wegen extrem harter Gangart auf kroatischer Seite abgesetzt werden musste) und die schlechtesten zehn Filme an Bord gekürt. Veracurz, so waren wir uns ziemlich einig, war der coolste Hafen. Ich habe ernsthaft angedacht, zu desertieren.

Und überhaupt könnte ich hier ohne Ende erzählen. Aber ich werde nur sagen, dass uns die Reise gut gefallen hat. So gut, dass wir uns nach zwei Monaten wieder getroffen haben. Und dass etwa die Hälfte der Praktikant:innen trotz Dreck und Hitze und Arbeit zur See fahren will. Das gibt mir die Kraft, klug und fleißig und mit Elan weiterzustudieren. Denn ich weiß wieder warum.

MW

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